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Aktuelle Artikel und Rechtssprechung

Hier finden Sie Beiträge zu aktuellen Themen und besonders beachtenswerte Gerichtsurteile

Der Aufhebungsvertrag als attraktive Möglichkeit zur vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Nicht selten besteht das Bedürfnis, ein bestehendes Arbeitsverhältnis vorzeitig zu beenden. Die Gründe hierfür sind vielfältig und reichen von Konflikten am Arbeitsplatz über persönliche Gründe bis hin zu alternativen Karriereplänen. Da NV-Bühne Arbeitsverträge in der Regel befristet sind, besteht keine Möglichkeit zu einer sogenannten ordentlichen Kündigung. Somit muss zunächst rechtzeitig eine Nichtverlängerung ausgesprochen und der Vertrag bis zum Ende der nächsten Spielzeit erfüllt werden, bevor man sich anderweitig orientieren kann. Dieser Zeitraum ist im Einzelfall jedoch häufig zu lang. Grundsätzlich besteht zwar die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung, allerdings müssen hierfür gewichtige Gründe vorliegen, die eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar machen. Diese Gründe müssen entsprechend belegt werden. Da diese Hürde recht hoch ist, bietet sich noch eine dritte Möglichkeit an: Der Abschluss eines Aufhebungsvertrages in gegenseitigem Einvernehmen. Wie die Formulierung vermuten lässt, setzt dies allerdings voraus, dass auch der Arbeitgeber mit einer vorzeitigen Beendigung einverstanden ist. Der große Vorteil eines Aufhebungsvertrages liegt in der Flexibilität. Sofern beide Parteien der Aufhebung des Arbeitsverhältnisses zustimmen, lassen sich die einzelnen Konditionen je nach Bedarf aushandeln und frei gestalten. Dies gilt insbesondere für die folgenden Punkte:

 

1. Beendigungszeitpunkt: Wann genau soll der letzte Arbeitstag sein?

 

2. ​Freistellung: Wird der Arbeitnehmer bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses unter Aufrechterhaltung des       Vergütungsanspruchs freigestellt oder wird die Arbeitsleistung bis zur Beendigung erbracht?

3. Abfindung: Erhält die Arbeitnehmerin eine Abfindung? Eine solche lässt sich meist nur aushandeln, wenn auch der Arbeitgeber ein starkes Interesse an der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat.

4. Resturlaub: Wie erfolgt die Abgeltung nicht verbrauchter Urlaubstage? Dies kann in Freizeit oder auch in Geld erfolgen, sofern bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr genug Zeit zum Verbrauch der restlichen Urlaubstage bleibt.

5. Arbeitszeugnis: Wird ein qualifiziertes Arbeitszeugnis benötigt? Sofern dies der Fall ist, lässt sich dies, ggf. auch mit einer bereits im Vorfeld vereinbarten Note, in den Vertragstext aufnehmen.

 

Sobald sich Arbeitgeberin und Arbeitnehmer über diese Punkte geeinigt haben, steht der Ausfertigung des Aufhebungsvertrages nichts mehr im Wege. Zu beachten ist, dass dies schriftlich, also in Papierform erfolgen muss. In der Regel legt der Arbeitgeber einen Vertragsentwurf vor, welchen die Rechtsabteilung der GDBA gerne für unsere Mitglieder vor der Unterzeichnung prüft.

Häufig taucht im Rahmen von Aufhebungsverträgen die Frage nach einer möglichen Sperre für den ALG-1 Bezug auf. Dies ist durchaus berechtigt, da der Behörde bei der Verhängung einer Sperrzeit ein Ermessensspielraum zusteht, sofern der Arbeitnehmer freiwillig an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mitgewirkt hat. Dies ist bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages der Fall. Es gibt jedoch Möglichkeiten, das Risiko einer ALG-1 Sperre zu reduzieren.

 

1. Formulierung: In dem Aufhebungsvertrag sollte stehen, dass das Arbeitsverhältnis „in gegenseitigem Einvernehmen“ und keinesfalls „auf Wunsch der Arbeitnehmerin“ beendet wird.

 

2. Kommunikation: Die Agentur für Arbeit zeigt sich oft kooperativ, wenn man frühzeitig Kontakt aufnimmt und die Gründe für die vorzeitige Beendigung nachvollziehbar darlegt. Oft wird den Arbeitnehmern in Fällen von Überlastung, Familienzusammenführung oder der Pflege/Betreuung des Kindes oder einer unterhaltspflichtigen Person Verständnis entgegengebracht.

 

3. Ärztliches Attest vor Unterzeichnung: Sofern eine Bestätigung vorliegt, dass aus gesundheitlichen Gründen dringend zu einem Arbeitsplatzwechsel (nicht Berufswechsel) geraten wird, lässt sich dies einer ALG-1 Sperre entgegenhalten.

 

Zu beachten ist, dass hierdurch keinesfalls garantiert werden kann, dass keine Sperrzeit angeordnet wird, die o.g. Empfehlungen dienen lediglich dazu, das Risiko zu verringern.

 

Gegen die Verhängung einer Sperrzeit kann innerhalb eines Monats Widerspruch eingelegt werden.

Gastverträge am Theater sind i.d.R. Arbeitsverträge
ArbG Köln, Urteil vom 24.05.2023 - 9 Ha 7/22 – Zusammenfassung

 

Die Entscheidung des ArG Köln hebt den Schiedsspruch des Bühnenoberschiedsgerichts Frankfurt am Main mit dem Aktenzeichen BOSchG 6/21 im Wesentlichen zu Gunsten der Klägerin auf. Zu klären war, ob trotz Vorstellungausfall wegen höherer Gewalt ein Vergütungsanspruch nach den Regeln des Annahmeverzug gem. § 615 BGB besteht, obwohl das Betriebsrisiko durch den Vertrag auf den Gast abgewälzt wurde. Zur Beurteilung dieser Frage kam es zunächst darauf an, ob ein Arbeitsverhältnis oder eine selbständige Tätigkeit vorlag.

Weisungsgebundenheit als Entscheidendes Kriterium:

Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an. Ein Arbeitsverhältnis unterscheidet sich danach von dem Rechtsverhältnis eines selbstständig Tätigen durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit des Verpflichteten. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist.

Gäste sind weisungsgebunden:

Die danach vorzunehmende Gesamtwürdigung kam zu dem Ergebnis, dass zwischen den Parteien aufgrund der Vertragsdurchführung ein Arbeitsverhältnis begründet worden ist. Die Klägerin ist durch den Gastvertrag verpflichtet worden, weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit für die Beklagte zu erbringen, da sie ihre Tätigkeit im Wesentlichen nicht frei gestalten und ihre Arbeitszeit bestimmen konnte. So sind der Klägerin von der Beklagten die Termine zu den Proben - zu deren Teilnahme sie verpflichtet war - und auch die Vorstellungstermine fest vorgegeben worden. Gemäß des Gastvertrags musste die Klägerin allen Anordnungen der Beklagten nachkommen. Dies galt insbesondere hinsichtlich der Regie, des Kostüms und der Maske. Die Klägerin war danach weder örtlich noch inhaltlich noch zeitlich weisungsfrei.

Auch Lohnsteuer und Sozialabgaben sprechen für Arbeitsverhältnis:

Schließlich bestätigen auch die sonstigen Begleitumstände, dass die Tätigkeit der Klägerin durch eine Eingliederung in die betriebliche Arbeitsstruktur der Beklagten dominiert wird, die auch unter Berücksichtigung der Eigenart der Tätigkeit für die persönliche Abhängigkeit der Klägerin von der Beklagten sprechen. So hat die Beklagte die Klägerin als Arbeitnehmerin zur Sozialversicherung angemeldet. Der Gastvertrag enthält eine Regelung zum Erholungsurlaub. Eine anderweitige Verwertung der Arbeitskraft der Klägerin war der Beklagten gem. § 10 des Gastvertrags gesondert anzuzeigen und konnte von dieser untersagt werden. Schließlich führte die Beklagte für die Klägerin Lohnsteuer ab und erteilte ihr Gehaltsabrechnungen.

KEINE Vergleichbarkeit mit Parzival – Bundesarbeitsgericht, 5 AZR 270/06

Diese Fallgestaltung ist nicht auf die vorliegende übertragbar. So hatte das BAG in seinem Urteil über einen renommierten, international auftretenden Künstler zu befinden, der hohe Abendgagen erhielt, dessen künstlerische Tätigkeit der Einflussnahme durch fachliche Weisungen seitens der Theaterleitung weitgehend entzogen war und dessen Können den Erfolg der Aufführungen maßgebend beeinflusste. Die Tätigkeit der Klägerin ist aber nicht in diesem Maße prägend für den Gesamterfolg des Stücks. Auch war die Klägerin nicht bloß für die Aufführungen engagiert worden, sondern zusätzlich für einen 4 Monate überdauernden Probenzeitraum, bei dem sie sich allen Anordnungen durch die Beklagte unterwerfen musste.

Keine formularmäßige Abbedingung des Vergütungsanspruchs gem. § 615 BGB wegen höherer Gewalt

Die entsprechen Vertragsklausel ist unzulässig, da sie in Abweichung des gesetzlichen Leitbildes von § 615 S. 3 BGB die Betriebsrisiken der Arbeitgeberin auf die Arbeitnehmerin abwälzt, ohne der Klägerin hierfür einen angemessenen Ausgleich zu gewähren und sie somit gem. § 307 II Nr. 1 BGB unangemessen benachteiligt. Es stellt keine angemessene Kompensation dar, wenn die Klägerin im Falle einer Absage, die weniger als 8 Werktage vor der geplanten Aufführung zugeht, die Hälfte des Vergütungsanspruchs erhält. Denn bei einem derartig kurzen zeitlichen Vorlauf ist es der Klägerin nicht möglich, ihre Arbeitskraft anderweitig zu verwerten. Folglich bestehe ein Anspruch auf Ausfallgage nach den regeln Annahmeverzuges.

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